Am 20. Jänner JA zu den Profis
Das System der Wehrpflicht ist ausgereizt!
Die SPÖ spracht mit Generalmajor Karl Schmidseder (Stabschef des Bundesministers im Verteidigungsministerium) über die Probleme des derzeitigen Systems eines sechsmonatigen Grundwehrdienstes und die Vorteile einer Umstellung auf ein Profiheer.
SPÖ: Einigkeit besteht bei Befürwortern und Gegnern eines Profiheeres darin, dass es Veränderungen geben muss. Woran krankt das Bundesheer?
Schmidseder: Wir sind nicht wirklich krank, aber es gibt Bereiche, die fitter gemacht werden könnten.
Die gute und erfolgreiche Bewältigung von Einsätzen ist gegeben – sowohl national als auch international. Allerdings leidet das System an einem enormen Ausbildungs- und Verwaltungsaufwand im Zusammenhang mit den Grundwehrdienern. Das kostet Geld und sehr viel Engagement bei relativ geringem Nutzen. Aufgrund der Reduktion des Grundwehrdienstes auf sechs Monate im Jahr 2006 hat sich die Situation verschärft. Wir müssen noch mehr investieren und der Output ist noch geringer.
Viele vergessen auch, dass es jetzt schon etwa 15.000 Berufssoldaten in diesem Bundesheer gibt.
SPÖ: Der hohe Aufwand bei der Ausbildung von Rekruten ist also ein essenzielles Problem?
Schmidseder: Ja, denn die Rekruten wechseln im Prinzip alle vier Monate. Wir brauchen für einen Job im Jahr drei Leute: also zwei Monate Basisausbildung, danach vier Monate in einer Funktion. Und dann, wenn es halbwegs läuft, sind sie wieder weg.
Die Basisausbildung für die 22.000 Rekruten kostet pro Jahr über 200 Millionen Euro. Ein Großteil dieser Finanzmittel könnte für die eigentlichen Aufgaben des Bundesheeres, die Bewältigung von Einsätzen, verwendet werden. Tatsächlich aber haben wir mehr als 60 Prozent sogenannter Systemerhalter, also zum Beispiel Kellner, Köche, Chauffeure, Schreiber oder Kasernenwarte, die gar nicht für militärische Einsätze herangezogen werden. Betriebswirtschaftlich gesehen ist dieses System des sechsmonatigen Grundwehrdienstes daher das aufwändigste, das man sich vorstellen kann.
SPÖ: Ist die Wehrpflicht obsolet?
Schmidseder: Das System der Wehrpflicht ist ausgereizt und es ist an der Zeit sich davon zu verabschieden. Die militärischen Herausforderungen machen Profis erforderlich.
Aber in sechs Monaten kann man keine einsatzbereiten Soldatinnen und Soldaten ausbilden. Die wahrscheinlichsten Szenarien, bei denen es – ob im Inland oder im Ausland – zu einem Einsatz kommt, verlangen reaktionsschnelle und einsatzbereite Truppen.
Wir benötigen kein Massenheer, um uns zu verteidigen. Das ist in einem gemeinsamen Europa Geschichte. Die Zukunft gehört der gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Und wir haben in der Europäischen Union 21 Mitglieder mit einem Berufsheer. 21 Partner können nicht irren!
Auch volkswirtschaftlich betrachtet ist einem Profiheer der Vorzug zu geben. Durch Wehrdienst und Zivildienst werden 18-jährige Burschen aus dem Arbeits- und Bildungsprozess herausgenommen. Das kostet den Staat etwa 430 Millionen Euro pro Jahr.
SPÖ: Ist die Katastrophenhilfe bei einem Aus für die Wehrpflicht gewährleistet?
Schmidseder: Wichtig ist festzuhalten, dass die benötigten 12.500 Soldatinnen und Soldaten bei einer Umstellung auf ein Profiheer auf jeden Fall sichergestellt werden.
Das reicht für ein Jahrhunderthochwasser. Für das Profiheer spricht in dem Zusammenhang, dass es bei der Assistenzleistung zur Katastrophenhilfe vorwiegend um Technik geht. Wir schreiten nämlich nicht als erster ein.
Es ist gesetzlich festgelegt, dass das Bundesheer erst angefordert werden kann, wenn es keine anderen Mittel mehr zur Abwendung von nicht gutzumachenden Schaden gibt. Wenn dann Assistenz angefordert wird, kommen in erster Linie Hubschrauber, schweres Pioniergerät oder Bergepanzer. Das wird in Zukunft noch besser gewährleistet sein.
SPÖ: Viele in den Reihen der Sozialdemokratie sind wegen der Neutralität und rückblickend auf das Jahr 1934 skeptisch.
Schmidseder: Die Neutralität ist im Artikel 9a der Bundesverfassung verankert, hat auch ihre Gültigkeit beim EU-Beitritt bewahrt und wird auch so bleiben.
Und zu den Gräueln des Februars 1934: Garanten dafür, dass so etwas nicht mehr passieren wird, sind unsere tragfähige Demokratie und die parlamentarischen Kontrollmechanismen. Nicht eine Wehrpflichtigenarmee.
Bestes Beispiel in der Jetztzeit ist Syrien, wo es Wehrpflicht gibt und gerade Bürgerkrieg herrscht. Hier hat die politische Führung total versagt.
Zusammenfassend ist für mich klar: Eine Umstellung des Wehrsystems wäre nicht nur für die Sicherheit und die Bevölkerung besser, sie wäre im Sinne eines Neustarts nicht zuletzt auch ein Motivationsschub für die Soldatinnen und Soldaten.